Mindfulness in Leadership


Mindfulness in Leadership

Mindfulness wurde in den letzten Jahren zum Modewort – gerade was die Themen Management im globalen Arbeitsalltag betrifft. Denn die Zwänge der Geschwindigkeit – Flexibilität, Effizienz und Multitasking – machen das tägliche Arbeitsleben immer belastender.

Achtsamkeit empfiehlt sich in dieser Gemengenlage als Hoffnungsbote. Allerdings sind viele Ratgeber entweder esoterisch geprägt oder vermitteln den Eindruck, Probleme ließen sich schleunigst „wegmeditieren“.

Solcherlei Ratschläge verkennen das Wesen der Achtsamkeit und verkehren ihren Nutzen in Schaden. Achtsamkeit besteht nämlich zuerst einmal darin, hinzuschauen. Auch und gerade in und auf schwierige Situationen. Das ist nicht schön. Das kann weh tun. Das ist aber nötig. Achtsamkeit lehrt die Kunst, den Tatsachen ruhig ins Auge zu blicken. Angenehmen Tatsachen ohne Drängen; unangenehmen Tatsachen ohne Verdrängen. Das ist viel Wert.

Im Rahmen dieser Konferenz wollen wir mehr erfahren, tiefer blicken und damit besser verstehen. Daher haben wir den Experten für Achtsamkeit, den  Wirtschaftspsychologen, Professor Dr. Sebastian Sauer, eingeladen. Er wird uns uns Auskunft geben, was Achtsamkeit ist und was es nicht ist. Als Wissenschaftler berichtet er, wie Achtsamkeit das Arbeiten, die Führung und die Innovation in Unternehmen beeinflussen kann.

Kati Drescher und Ragnar Willer sprachen mit Herrn Professor Sauer in Vorbereitung auf die diesjährige Slow Living Conference.

Was genau bedeutet Achtsamkeit in Ihrem Forschungsbereich?

Ich verstehe unter Achtsamkeit einerseits, entspannt-wachsam zu sein. Also nicht „im Autopilotenmodus“ zu fliegen. Andererseits bedeutet Achtsamkeit, sich mit Beurteilungen erst einmal zurück zu halten. Dem Sog von Gefühlen als Reaktion zu bestimmten Situationen nicht nachzugeben. Achtsamkeit ist gleichzeitig Aktivität und Passivität: Aktivität im Sinne von Geistesgegenwärtigkeit; Passivität als Abstinenz emotionaler Reaktionen.

 

Wie kann Achtsamkeit die Arbeit und speziell die Führung beeinflussen?

Zwei Psychologen haben unser Verständnis von Management geformt in den letzten Jahren. Das ist zum einen die Forschung zu „schnellem“ und „langsamen“ Denken um Daniel Kahneman. Zum anderen rückte die Bedeutung der Willenskraft oder Selbstkontrolle in das Zentrum der Aufmerksamkeit, bekannt durch den Marshmellow-Test von Walter Mischel. Mischel spricht, in Anlehnung an Kahneman, von „heißem“ und „kaltem“ Denken.

Sowohl schnelles als auch heißes Denken ist durch automatische Reaktionen geprägt: Auf einem bestimmten Reiz folgt eine starre Reaktion. Wir stehen sozusagen sofort Gewehr bei Fuß mit einer Erwiderung, einer Einschätzung, einer Beurteilung oder einer Reaktion auf der Verhaltensebene. Ohne dass wir darauf bewusst Einfluss nähmen. Kahneman hat seinen Nobelpreis auch dafür bekommen, zu zeigen, dass dieses reflexartige Denken immer wieder zu Fehlern — suboptimalen Entscheidungen — führt.

Mischel nähert sich der selben Sache aus Sicht der Emotion, Kahneman mehr aus Sicht des Denkens. Mischel spricht von einem impulsivem System, welches uns drängt, mit starker Emotionalität zu reagieren. Demgegenüber steht ein „kaltes“ System, welches eher nüchtern reagiert. Beide Systeme sind angeboren und haben ihre Daseinsberechtigung — aber häufig reagieren wir zu „heiß“ bzw. „schnell“. Das hat wohl evolutionäre Gründe: Hätten ihre Vorfahren versucht, mit dem Säbelzahntiger zu argumentieren, stünden Sie heute nicht hier. Danken Sie Ihren Vorfahren für das schnelle Denken!

Achtsamkeit ist ein Training, dem schnellen bzw. heißem System Zügel anzulegen. Das klappt insgesamt laut Studienlage. Keine Sorge: Wenn Sie das nächste Mal einen Säbelzahntiger treffen, dürfen Sie trotzdem Ihr schnelles System anwerfen.

 

Wie unterstützt Achtsamkeit die Entscheidungsfindung?

Durch etwas Übung erkennt man, ob die eigene Reaktion voreilig ist. Ob es sich wirklich um eine „Säbelzahntiger-Situation“ handelt. Der Drang, eine Antwort sofort hinaus zu posaunen, oder sofort für eine Meinung Partei zu ergreifen, nimmt ab. Man handelt überlegter, die Qualität der Entscheidungen steigt. Man reagiert weniger impulsiv, eher gelassen.

 

Was bedeutet Slow Living für Sie ganz persönlich?

 Ich lege immer mal wieder intensivere Trainingsphasen der Achtsamkeit ein, in der Hoffnung, für den Alltag gut gerüstet zu sein. Das klappt mal besser, mal schlechter. In der Wissenschaft gib es den Spruch „Bed — Bathroom — Bicycle“ als Antwort auf die Frage, wo die Forscher ihre kreativen Ideen hernehmen. Diese Erfahrung teile ich; die guten Ideen kommen mir in der Muße, nicht beim Brände löschen.