Einladung zur Entschleunigung


Einladung zur Entschleunigung

Frohlein – eine Einladung zur Entschleunigung ist ein von Bianca Schäb initiiertes Projekt, bei dem sie mit einem Goggomobil einmal durch Deutschland reist und interessante Leute zum Thema Entschleunigung trifft und interviewt. Ihr rechter Platz im Goggomobil ist frei und wir alle sind eingeladen sie zu begleiten – analog oder digital. Denn Bianca Schäb hat neben einer Webserie auch einen Slow TV Kanal entwickelt, der zur Entschleunigung beiträgt. Am 05.07.2015 ging es in Dingolfing los und am 17. September werden wir Sie auf der Slow Living Conference begrüßen.

Im Rahmen Deines Projektes „Frohlein – Eine Einladung zur Entschleunigung“ bist Du in diesem Sommer durch die Republik gereist? Wie bist Du gereist und was hast Du genau gesucht?

Ich bin mit meinem Goggomobil von 1969 und einem kleinen Anhänger gereist. Mit 13 Pferdestärken und knapp 50 km/h bin ich vom Süden in den Norden gefahren, um Menschen zu treffen, die mir etwas von ihrer Art der Entschleunigung erzählen können. Ich habe mir die Frage gestellt, warum einem die ersten 18 Jahre im Leben so lange vorkommen und dann nicht mehr.

Glaubst Du, dass der Wunsch nach Entschleunigung, Einfachheit und Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angelangt ist oder befasst sich weiterhin eher eine Avantgarde mit diesem Themenfeld?

Ich habe oft auf Bauernhöfen und Weingütern übernachtet. Die Menschen dort, konnten mit dem Wort Entschleunigung recht wenig anfangen. Sie leben selbstbestimmt und nach dem Takt der Natur. Sie wirkten nicht gestresst, obwohl sie meiner Meinung nach einen Grund dafür gehabt hätten. Der Wecker klingelt um 6 Uhr, jeden Tag, auch Sonntags. Zu Bett geht es erst, wenn es wieder dunkel ist. Einfachheit und Nachhaltigkeit hingegen ist ein großes Thema für die Höfe. Ich habe viel darüber gelernt auf meiner Reise. Ebenso im Gespräch mit Kindern fiel es mir schwer, zu erklären was Entschleunigung überhaupt bedeutet. 

Wer oder was hat Dich auf Deiner Reise am meisten inspiriert?

Ein Ehepaar auf der Walz, die all ihr Hab und Gut verschenkt haben. Sie haben mir gezeigt, dass es nicht nur um materiellen Besitz und Sicherheit geht. Eine Nonne im Schweigekloster, die mir den Tipp gegeben hat, mich selbst öfter mal zu fragen, wie es mir eigentlich gerade geht. Eine Märchenerzählerin, die mir gezeigt hat, dass man sich auch mal aus der Realität verabschieden kann und ab und zu ein bisschen mehr Kind sein darf.

Du hast Dein Projekt auch mit Hilfe der digitalen Medien vorangetrieben. Was hast Du unternommen, dass diese Dich auf Deiner Reise nicht übermannt haben und Du tatsächlich Muße finden konntest? Denn für viele von uns sind die digitalen Medien ja der Zeitfresser schlechthin und Du hast ja unteranderem auch Zeitwohlstand und Mußestunden gesucht.

Ich habe mir die neuen Medien zunutze gemacht, um meiner Entschleunigung ein bisschen näher zu kommen. Zum Beispiel habe ich eine Meditations-App verwendet, um meine tägliche Pause zu machen. Ich habe auf meiner Reise viele Tipps von anderen Menschen über die sozialen Medien bekommen. Doch ich habe auch versucht mein eigenes Medienverhalten zu reflektieren und bewusst zu sagen: „Jetzt lege ich das Handy weg und lasse auch mal Langeweile zu.“ Das war nicht immer leicht.

Was nimmst Du von dieser Reise mit und was möchtest Du uns mit auf den Weg geben?

Fokussieren. Gerade durch die neuen Medien haben das viele Menschen verlernt. Beim Goggo fahren, musste ich mich über einen längeren Zeitraum auf eine einzige Sache konzentrieren. Autofahren. In jedem anderen Auto kann man auch mal telefonieren oder Musik hören. Im Goggo ist es zu laut fürs Handy und einwandfreien Empfang beim Autoradio hat man nur in der Stadt. Und gleichzeitig auch mal nicht Fokussieren. Den Blick auf „Weitwinkel“ stellen und für alles offen sein. Ich habe auf meiner Reise Menschen getroffen, die ein völlig anderes Leben führen, als ich. Menschen, die ich in meinem normalen Alltag wahrscheinlich niemals getroffen hätte. Genau von diesen, habe ich aber am meisten gelernt. Da sie oft einen anderen Blick auf die Dinge haben.

Du warst auf Deiner Reise auch zu Gast in der Citta Slow Deidesheim, die letztes Jahr auf  unserer Slow Living Conference zu Gast war. Deidesheim erlebt derzeit geradezu einen Boom, viele Menschen würden gerne dort leben.  Sie spüren, dass diese Stadt etwas bietet, was viele andere Orte eben nicht haben. Wie hast Du die Stadt empfunden?

Deidesheim ist ganz in der Nähe von meiner Heimatstadt. Umso erstaunter war ich, dass ich nie zuvor dort gewesen bin. Deidesheim ist eine wunderschöne kleine Stadt, die einen Besuch wert ist. Ich wurde herzlich empfangen und aufgeklärt, was es mit den Citta Slow auf sich hat. Ich finde, es sollte noch viel mehr solcher Städte in Deutschland und auf der ganzen Welt geben.