Slow Love in Zeiten von Fast Sex, Tinder & Co.
In einer Welt, in der immer mehr Menschen ihre Lebens- und Liebespartner anhand von angeblich so klugen mathematischen Algorithmen oder rein nach Profilpics filtern, verändern sich Kennenlernen, Beziehungsmodi und sexuelles Verhalten. Welche Auswirkung hat die schnelle Online-Welt mit ihren wie Shopping-Apps für individuelle Bedürfnisse erscheinenden Angebote auf Erotik und Liebesleben? Welche Gegentrends sind erkennbar und wie reagieren Branchen, deren Untergang man in digitalen Zeiten vorhergesagt hatte?
In Vorbereitung auf die Slow Living Konferenz unterhielten sich Kati Drescher und Dr. Ragnar Willer mit Herrn Professor Clement über Phänomene wie HD-Readiness, den Einfluss digitaler Medien auf das Beziehungsverhalten von Menschen und die unterschiedliche Nutzungsweisen von Frauen und Männern im Hinblick auf Kennenlern-Apps. Sie finden hier einen Auszug des Gesprächs mit dem Paartherapeute
Wir posten, liken, sharen. Ein großes Projekt scheint zu sein, sich im Netz eine perfekte Identität zuzulegen. Welche Auswirkungen hat diese HD-Readiness auf das gegenseitige Kennenlernen und die Ansprüche von Männern und Frauen gegenüber potentiellen Partnerinnen und Partnern?
Sich vorteilhaft darzustellen ist nichts Neues. Das haben Menschen in Werbungs- und Bewerbungssituationen immer schon getan. Die technischen Möglichkeiten sind allerdings immens gestiegen.
Das Video „otherwised engaged“ dokumentiert den Heiratsantrag zweier Thirty-Somethings. Der weibliche Protagonist in dem Video versucht die Situation für ihre Follower und Friends festzuhalten, fordert Wiederholungen, besondere Einstellungen und kann die Situation scheinbar gar nicht genießen, da sie in ihr Smartphone vertieft ist. Damit ruiniert sie die Situation. Gibt es Unterschiede in der Nutzung digitaler Möglichkeiten zwischen Männern und Frauen, um potentielle Partner kennenzulernen? Dokumentieren Frauen ihre Beziehung digital in einer anderen Weise als Männer?
Ein wunderbares Video! Es zeigt sehr schön, wie in einer eigentlich intimen Situation die realen oder virtuellen Beobachter dazu führen, dass die junge Frau gar nicht mehr IN der Situation ist, sondern sich gewissermaßen selbst von außen zuschaut.
Was die Geschlechtsunterschiede betrifft, gibt es einen interessanten Geschlechtsunterschied, der auf den zweiten Blick allerdings auch nicht erstaunt: Partnerbörsen wie Parship, die für feste Beziehungen antreten, werden weitaus mehr von Frauen in Anspruch genommen. Portale für unverbindlicher Kontakte oder Fremdgehen haben weit mehr männliche Nutzer.
In welcher Weise haben digitale Errungenschaften, wie Kennenlern-Apps, Online-Partnervermittlungen und Cyber Sex Beziehungen verändert?
Sie haben sie vor allem beschleunigt und ermöglichen problemloser Parallelbeziehungen. Aber sie laden auch sehr zu Fakes und Tricks ein mit falschen Identitäten. Und sie machen es viel schwerer, Trash und Substanz zu unterscheiden.
Was ist Slow Sex in wenigen Worten? Was verstehen Sie als Experte darunter?
Es geht im wesentlichen darum, aus einem von Leistungs- und Leidenschaftsdruck angetriebenen sexuellen Soll frei zu werden und eine im Hier und Jetzt ankernde Sexualität zu erfahren.
[…] zu disconnecten, damit wir zu neuer Verbindung finden können. Findet auch Sexualpsychologe Prof. Dr. Ulrich Clement, der auf der Slow Living Conference als Speaker über Erotik in Zeiten von … sprechen wird. Fast Sex – auch ein schöner Ausdruck, oder? Ich bin jedenfalls sehr gespannt, […]